Totale Erschöpfung als Modeerscheinung?
Das Burnout-Syndrom wird viel diskutiert – seine Therapie bleibt eher unerwähnt
Derzeit wird in den Medien einmal mehr über das Thema Burnout spekuliert. Neuesten Zahlen zufolge ist Burnout „kein Massenphänomen“, gab die DAK in einer Studie bekannt. Kritiker sehen darin ohnehin eher eine Modeerscheinung als ein Krankheitsbild, da es eine „allgemeingültige Definition für diesen Erschöpfungszustand“ nicht gibt, schreibt unter anderem Focus auf seiner Website. Ob Burnout nur ein Missverständnis sei, fragte sich daraufhin die Bild-Zeitung. Doch wer fragt nach den messbaren Symptomen? Wer interessiert sich für eine Therapie, die über psychosomatische Kuren und energetische Heilweisen hinaus geht?
Alfredo Dumitrescu aus Hennef beschäftigt sich in seiner Praxis für ganzheitliche Medizin mit eben diesen Fragen. „Biochemisch gesehen ist Burnout eine Energiemangelerkrankung, deren Parameter sich im Labor bestimmen lassen,“ erklärt der Mediziner. Als erstes überprüft er deshalb bei Verdacht auf Burnout die Mitochondrienfunktion. Mitochondrien sind die Bestandteile der Zellen, die als Energiekraftwerke fungieren. Sind sie in ihrer Funktion beeinträchtigt, so ist die Energieproduktion ebenfalls gedrosselt, was wiederum den Stoffwechsel zu höherer Leistung antreibt. Damit hat der Körper also bereits im Ruhezustand Stress bei gleichzeitigem Energiemangel. Verursacher dieser Mitochondrienstörung sind der sogenannte nitrosative und oxidative Stress, die sich gegenseitig in ihrer Überreaktion anstacheln. Nitrosativer Stress bedeutet eine Überproduktion von Stickoxid, oxidativer Stress entsteht durch zu viele freie Radikale. Sobald der Körper zu viel Stickoxid oder zu viele freie Radikale produziert, hemmt dies die Mitochondrienfunktion. Der Energiehaushalt kommt komplett durcheinander und bricht mit der Zeit zusammen. Patienten, bei denen bereits ein Burnout diagnostiziert wurde, werden sich in dieser Beschreibung wiederfinden.
Therapien bei Burnout
Neben Stress aus erhöhter Arbeitsbelastung führen auch körperliche Ursachen zu nitrosativem Stress und einer gehemmten Mitochondrienfunktion. Dumitrescu testet den Körper deshalb mit speziellen Verfahren auch auf Umweltgifte, wie zum Beispiel Amalgam, auf Pilze und Impfreaktionen. „Patienten mit erhöhten Quecksilberwerten sind häufig daran zu erkennen, dass sie tausend Sachen parallel erledigen. Sie sind geradezu prädestiniert für einen Burnout,“ beschreibt der Arzt Patientenverhalten unter dem Erschöpfungsphänomen.
Zur Therapie von Burnout gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht für Burnout-Kandidaten heißt: Es gibt eine Therapie, die schnell greift, sobald die Laborwerte die Diagnose bestätigt haben. Die schlechte – und auf Dauer genauso lebensrettende – Nachricht lautet: Sie müssen definitiv ihren Lebensstil ändern. Daran führt kein Weg vorbei, wenn die Patienten dauerhaft gesund und fit bleiben wollen. Hier heißt es auch für jeden Patienten, seinen individuellen Weg aus den Verhaltensmustern heraus zu finden. Das therapeutische Vorgehen von Alfredo Dumitrescu ist jedoch bei seinen Patienten annähernd das gleiche. Im ersten Schritt gilt es, die Mitochondrien wieder zum Funktionieren zu bringen, also die Kraftwerke der Körperzellen wieder zu aktivieren. Bewährt hat sich dabei die Zufuhr von Vitamin B 12, um Stickoxid abzufangen, von Mineralstoffen und Aminosäuren. „Nach der ersten Infusion werden die Patienten schnell ruhiger, sie fühlen sich relativ schnell wieder stark,“ zeigt Dumitrescus Erfahrung. Je nach Ergebnis der Blutwerte können auch Hormone verabreicht werden, um die Energie der Patienten weiter zu steigern. Gleichzeitig werden auch weitere mögliche Auslöser für den Burnout, wie es zum Beispiel ein chronischer Virus sein kann, therapiert.
Darüber hinaus gibt es bestimmte Gruppen von Menschen, bei denen der Abbau der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin über das Enzym COMT genetisch nur gering oder gar nicht kodiert ist. „Diese Menschen haben gar keine Chance, dass sich ihr Stresspegel senkt. Sie brauchen zum Beispiel vier bis sechs Wochen Urlaub, um ansatzweise das Gefühl von Erholung zu spüren,“ erläutert Dumitrescu weitere mögliche Ursachen für ein Burnout-Syndrom. Diese Veranlagung ist ebenfalls über das Blut feststellbar. Der Mediziner hat ein Verfahren entwickelt, um die Produktion des Enzyms COMT zu fördern und im Labor nachzuweisen.
Peter S., ein Burnout-Patient mit deutlich erhöhtem Stickoxidspiegel, konnte bereits nach der ersten Infusion wieder schlafen. Nach der zweiten Infusion kam er nicht wieder, weil er sich offensichtlich als geheilt betrachtete. Dumitrescu warnt jedoch davor, die Therapie vorzeitig zu beenden und die zurückgewonnenen Kräfte zu überschätzen. Das zeigt auch der Fall von Monika B., die nach den Infusionen ebenfalls wieder Bäume ausreißen konnte. Sie vergaß nur leider, ihren Lebensstil parallel dazu umzustellen. Sie war inzwischen mit dem dritten Burnout in Dumitrescus Praxis. Das sind die Kehrseiten im Behandlungsalltag eines Mediziners, der den körperlichen Erscheinungen des Burnout-Syndroms den Kampf angesagt hat.